an-online: Aachener Nachrichten - Kultur

28.04.2002 16:52

Bob Dylan: Idol der 60-er, Star der 70-er, Legende der 80-er Jahre

Mehr als nur ein Denkmal

Oberhausen (an-o). Da steht das Quintett nach einem fulminanten Zwei-Stunden-Vortrag ungerührt-regungslos auf der Bühne und lässt sich feiern: Bob Dylan hat sich einmal mehr selbst inszeniert.

Das Idol der 60-er, der Star der 70-er, die Legende der 80-er, das Denkmal der 90-er hatte zurück gefunden zu dem, was er einmal auch war: Sprachrohr einer Generation. Bei großen Gestalten der Popmusik ist nicht nur wichtig wie sie spielen, sondern auch was sie präsentieren.

Während etwa eine Größe wie Neil Young der neuen patriotischen Volksfrömmigkeit in Gottes Land huldigt und die Pathosformel "Let's roll" propagiert, kramt Dylan sein altes Kampflied der Friedensbewegung "Masters of War" wieder raus: "Come you masters of war - I can see through your masks". Die Band legt einen dichten akustischen Klangteppich, auf dem Dylan klagend-aggressiv und überpointierend den Text ausbreitet: Der Rebellenruf der Gegenkultur hat sich in all den Jahren doch noch nicht (ganz) verschliffen.

Wie neu erfunden

Überhaupt greift Dylan beim letzten Deutschland-Konzert dieser "Love and Theft"-Tour auf viele Stücke der 60-er Jahre zurück: "Desolation Row", den stark verrockten "Subterranean Homesick Blues" oder, mit viel Druck und unglaublicher Präsenz, auch "Leopard-Skin Pill-Box Hat". Und: Alle Songs klingen, als seien sie gerade neu erfunden worden. Natürlich nölt und nuschelt und grollert und stöckert Dylan mehr als dass er sänge - aber gerade das macht Dylan zu Dylan unverwechselbar. Skizzenhaft.

Dabei hat er mit den beiden Gitarristen Larry Campbell und Charly Sexton, dem Baßisten Tony Garnier und dem Drummer Recoli Musiker zur Seite, die bei den akustischen Stücken eine feinfühlige Intimität entfalten und bei den Blues- und Rocknummern eine pulsierende Kraft versprühen.

Als die Band als letztes Stück der Zugabe "Blowin' in the Wind" - die alt verbindende und irgendwie alterslose Hymne - von archaischer Kraft getragen anstimmt, öffnet sich auch optisch auf der Bühne der Himmel: Das war der Bob Dylan, den man sich erhofft hatte. Wenn auch - oder gerade weil? - die Harmoniepassagen mächtig schräg daher kamen: Der Mann bleibt ungreifbar. Dylan ist walisisch und heißt Meer.

Norbert F. Schuldei