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Die Legende ist ihm egal
Da muss man hin - Bob Dylan in der Olympiahalle
Und wenn man nur hingeht, um sich zu vergewissern, dass es Bob Dylan wirklich noch gibt – man muss hin. Und dann hört man einen kleinen, dürren Mann im Cowboy-Kostüm mit einem großen weißen Hut „It’s ahhhrghhll ooverrch naa, baarrby bluh“ röcheln, der absolut grauenhaft Gitarre spielt, seiner Mundharmonika gerade mal drei Töne entlocken kann und seine Songs so verstümmelt, dass sich das Konzert als heiteres Titelraten präsentiert. Der dem Takt seiner Musiker hinterher stolpert, bis sie ihn endlich eingefangen haben und ans Ziel geleiten. Darf er das? (Olympiahalle). magazin3/12 Bob .jpg
Country-Music und Rock’n’Roll: Bob Dylan
Natürlich, so lange die Leute hingehen, weil sie den wichtigsten und möglicherweise besten Rockpoeten dieses Universums erleben wollen. Weil sie Zeuge werden wollen, wie hier einem seine eigene Legende völlig wurscht ist. Spannend war das, und manchmal richtig gut.

Erst mal gab’s eine Stunde Country. Mit säuselnder Pedal-Steel-Gitarre, Zupfbass und schrill näselnden Vocals vom Meister schrammelten sich die Elitemusiker elegant durchs Western-Land der harmlosen Gitarrenlicks, bis uns Dylan mit einem extrem herausgewürgten „Cry A While“ rüde das Bier aus der Hand zog. Jetzt war der Saloon geschlossen, und der Chef aller Protestsänger badete die nächste Stunde im Rock’n’Roll. Zog die Silben lang und länger und krächzte dabei wie ein Rabe auf Crack.

Will uns Dylan einen schönen Abend machen (soweit zu erkennen, hat er etwa 20 Klassiker gespielt), uns eine Nase drehen oder ist ihm das alles egal? Oder will er einfach nur gehört werden? Die Botschaft haben ihm ja immer die andern rein interpretiert. Vielleicht rächt er sich jetzt dafür mit Konzerten, zu denen man eben hingehen muss.

lux


   







Ausgabe: 19.04.02 Versenden  Versenden Sie diesen Artikel Versenden  Meine Meinung zu diesem Artikel Drucken  Drucken

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